Begegnung

Mit offenen Karten 
sitze ich hier spreche über mich
ohne mich zu zeigen
halte fest an dem gewohnt,
veränderbaren Rhythmus

Mit verstecktem As
sitze ich hier 
warte, warte, dass
es nicht geschieht
dass ich es nicht zücken muss

Warte, dass ich auch so bestehe
Erwarte, dass der Andere geht
Ich will mich nicht verändern,
nicht dem Neuen anpassen

Ich beanspruche Bestandsschutz
Wie deutlich muss ich es ausdrücken?
Wird es gehört?
Die Mauschelei und Beeinflussung,
entwaffne ich 
durch weibliche Solidarität

Mein Gegenüber spielt
nicht mit offenen Karten
er versucht Einfluß 
zu gewinnen
auf einem Gebiet
das nicht Seines ist.

Nachlese

sitze auf meinem balkon
mit dir war es prickelnder
noch prickelt der sekt in mir 
langsam macht auch er sich davon
gibt nach
wo er nicht nachgeben soll

will weiter auf der welle schwimmen
mich treiben lassen zu ufern
unbekannt und fern oder nah
egal
hauptsache etwas neues 
altbekanntes gefühl von unbeschwertheit
ein augenblick
drei stunden lang
dann lässt die wirkung nach 

ich will nicht daran denken
was danach kommt
jetzt und hier genießen 
mit dir
nicht an morgen denken
träumen und wahrhaftig sein
traumhaft soll es sein

träum weiter
lass dich nicht bremsen
den wind aus den segeln nehmen
auch ohne treibstoff geht es weiter
Veröffentlicht in lyrik

Das Geheimnis

Wir nahmen uns in den Arm
Trost spenden
gemeinsame Trauer um den Verlust

Erst fühlte es sich richtig an
dann war der Moment zu lang
er wurde unangenehm

Deine Tochter ließ dich zurück weichen
Sie ging
Du kamst wieder näher 
das durftest Du nicht tun!

oh, wäre Sie doch geblieben!
Sie war die
mit der hätte Ich sein sollen
nicht mit Dir!

Du warst sein Vater
Seine Stelle solltest du nicht einnehmen
Er hat diese Lücke hinterlassen
die Keiner füllen konnte

Was sollte das?
Das war zu viel
unerhört
unangebracht
lass mich los
gehe aus meinen Körper!

Du Scheusal!

Ich löse mich von Dir
ich wende mich stumm ab 
von der ganzen Familie
hat Sie es je erfahren?
Hast du es Deiner Frau gesagt
warum Ich nicht mehr komme?

Heute spreche Ich

egal ob Du noch lebst
Er lebte damals schon nicht mehr

Ich habe diese Trauer nie überlebt
sie versteckt, verdrängt
Du hast den Schrecken 
noch größer gemacht
verantwortungslos!
übergriffig!

verstört
stumm
ohne Worte
zog ich von dannen
mit diesem Geheimnis
der Last 
Dieses Kusses

Der Mantel der Traurigkeit

Der Mantel der Traurigkeit 

als ich das Schiff betrat
legte er sich 
wie selbstverständlich
um mich
als hätte er im Hafen gewartet

wo ich ihn 
beim Betreten der Insel 
sorgfältig an einen Fischerhaken
hängte

dort schien er auszuharren
in der Gewissheit
ich käme wieder
in der Irrung
ich bräuchte ihn nochmal

wirr verhedderten sich 
seine Ärmel und meine Hände
ich will ihn nicht
mitnehmen an Land
er nicht bleiben ohne mich

so stopfte ich das Widerspenstige 
in den großen Koffer 
dass er platzte
Zangen hielten ihn zusammen

so rufe ich hinaus 
aufs Meer:
Wer hat Bedarf an einem großen Mantel?
Ich bin bereit zu teilen!

Auf der Suche

Ich bin immer auf der Suche
nach Wärme 
Zuneigung
Verständnis
- Liebe

Ich suche und suche 
finden tu ich es nie 
was ich suche
ständig auf der Suche

auf der Suche
nach jemanden
der mich versteht
bei dem ich mich geborgen fühle
auf den ich mich verlassen kann
auf den ich mich einlassen kann

Auf der Suche
nach jemanden
den ich verstehe
dem ich Geborgenheit biete
der sich auf mich verlässt
der sich auf mich einlässt

Ich komme ein Schritt auf dich zu 
Du kommst ein Schritt auf mich zu 
Wir öffnen unsere Arme und Herzen
Wir lassen uns einander ein


August 1989